Heidi
TheaterInKempten
Jahr: 2023
Regie: Silke Johanna Fischer
Bühne u. Kostüme: Stefan Morgenstern
Musik: Sebastian Strehler
Dramaturgie: Silvia Armbruster
Foto: Britta Weizenegger, Privatarchiv
Project Description
Das Glück gibt es nur in den Bergen
Regisseurin Silke Johanna Fischer bringt mit „Heidi“ ein unterhaltsames Stück für die ganze Familieauf die Kemptener Theaterbühne. Wieso besonders die Ziegen des Geißen-Peters ein Hingucker sind.
Als Heidi ausgelassen über die Bühne hüpft und spielerisch die Bergwelt um sich herum entdeckt, möchte man fast die Schuhe ausziehen und mitmachen. Kraftvoll und lebensfroh verkörpert Schauspielerin Corinne Steudler das junge Schweizer Waisenmädchen, das bei ihrem Großvater in den Bergen lebt. Nun hat Silke Johanna Fischer das Familien-Theaterstück für die Geschichte für das Theater in Kempten geschrieben
und inszeniert. Im gut besetzten Großen Haus sehen Groß und Klein zu, wie die kleine Heidi lernt, sich in den Schweizer Alpen zurecht zu finden – nur um der Idylle entrissen und nach Frankfurt gebracht zu werden.
Corinne Steudlers jugendlicher Esprit macht ihre kindliche Darstellung glaubhaft, etwa wenn sie auf Felsen herumklettert oder sich für den Widerhall des Echos begeistert. Besonders herzerwärmend ist das Zusammenspiel mit ihrem Großvater, dem Almöhi (grummelig-grandios gespielt von Christian Bangerter), der seine Enkelin erst nicht bei sich aufnehmen möchte. Kindliche Naivität trifft auf verbitterten Griesgram. Doch nach und nach erobert Heidi das Herz des Großvaters, und er gesteht sich ein: „Seit die Heidi hier oben ist, erscheint mir alles noch farbiger als je zuvor.“
Das Theaterstück basiert auf dem Heimatroman der Schweizer Autorin Johanna Spyri. Seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1880 wurde das Buch in 50 Sprachen übersetzt. Die Referenzen auf das Heimatland der Autorin sind omnipräsent. Alle Figuren, die aus „Ach, wie schön sind die Tage zu zweit“, singen Heidi (Corinne Steudler) und ihr Großvater (Christian Bangerter) und rodeln gemeinsam den Berg hinab.
Alle die aus dem Schweizer Alpendorf kommen, sprechen Schweizer Hochdeutsch. Bis auf den Alm-Öhi, der schimpft auch gerne mal im tiefsten Dialekt vor sich hin und erntet für sein unverständliches Gemurmel Lacher aus dem Publikum. Auch musikalisch kommt die Schweiz zur Geltung. Wenn zum Beispiel ein Glühwürmchen nachts mit dem Akkordeon über die Bühne wandelt und Jodel-Elemente die Gesangseinlagen begleiten – nur das Alphorn fehlt noch, um das Klischee zu komplettieren. Und was wäre ein Bergidyll ohne die Tiere? Mit einem lauten „Komm hade hade“ treibt der Ziegen-Peter (Roman Just) seine Geißen über die Bühne. Diese werden von den Kindern des Theaterclubs verkörpert, mit Masken und Glöckchen um den Hals. Obwohl die Kinder abgesehen von Blöken und Meckern keinen Text haben, bekommen sie dennoch einen eigenen Charakter: Da ist zum Beispiel das zarte Schwänli (Klara Valentinetti) im Tütü, das sich graziös und schüchtern über die Bühne bewegt. Die Berge sind im Bühnenbild von Stefan Morgenstern nicht zu sehen. Zentrale Elemente der Kulisse sind eine Tanne, die im Wind schwankt, die Holzhütte des Alm-Öhi mit Feuerstelle und mehrere graue Steine, die zu Felsformationen gestellt werden. Das genügt, um die Weite der Alpenlandschaft darzustellen, zumal die Protagonisten die komplette Spielfläche nutzen.
Beklemmender wirkt das Bühnenbild während Heidis Aufenthalt in Frankfurt. Große Steinquader, die fast bis zur Decke reichen, schieben sich in die Mitte und verkleinern die Spielfläche. Alles dort ist nun begrenzt: die Geduld vonFräulein Rottenmeier (Julia Jaschke), der strengen Erziehungslehrerin; und auch der Aktionsradius von Heidi und ihrer im Rollstuhlsitzenden Freundin Clara Sesemann (Lara Waldow), denn sie dürfen das Haus nicht verlassen. Das Regelkorsett von Fräulein Rottenmeier schränkt Heidi ein, und ihr
Heimweh wird immer schlimmer. In der Inszenierung bekommt
Heidis Entfaltung in den Bergen beinahe genauso viel Raum wie ihre Zeit in Frankfurt mit Clara.
Das Ende des Stücks wirkt dagegen recht überhastet und plötzlich.Im einen Moment ist Heidi noch
tieftraurig in Frankfurt, im nächsten ist sie wieder auf der Alm, und Clara lernt in Sekundenschnelle das Gehen. Dennoch warten die Schauspielerinnen und Schauspieler mit einer abwechslungsreichen
Schlusschoreografie auf, bei der das junge Publikum begeistert mitklatscht.
Von Theresa Osterried