Die Drei Musketiere
Schauspiel Chemnitz Freilichtbühne Küchwald
Jahr: 2023
Regie: Silke Johanna Fischer
Bühne u. Kostüme: Stefan Morgenstern
Musik: Bernd Sikora
Dramaturgie: Kartin Brune
Kampfchoreografie Jean-Loup Fourure
Foto: Nasser Hashemi
Project Description
Sommerpremiere in Chemnitz:
„Die drei Musketiere“ sind feinstes Familientheater
Lisanne Hirzel verzaubert als Mademoiselle d‘Artagnan das Publikum der Küchwaldbühne. Das liegt auch an einem Fechtkunstkünstler mit dem schönen Namen Jean-Loup Fourure.
Böse Buben und Mädel sollten sich vor Lisanne Hirzel in Acht nehmen. Die weiß sich hervorragend zu wehren – mit oder ohne Degen. Das lässt jedenfalls ihr Auftritt als d‘Artagnan in „Die drei Musketiere“ vermuten. Das Stück des Chemnitzer Schauspiels hatte am Sonntag seine Premiere und ist als Sommertheater auf der Küchwaldbühne zu erleben. Und das sollte man unbedingt. Denn diese d‘Artagnan hat zunächst nichts als Duelle im Kopf, und Mann oh Mann, kann diese Frau austeilen! Das bekommen besonders die Lakaien des Kardinals Richelieu, aber audch die drei Musketiere zu spüren. Dabei schwingen alle Beteiligten eine auffallend gute Klinge und bewegen sich geradezu famos, so, als ob Hollywood oder Netfilx in Chemnitz eine Neuverfilmung des Alexandre-Dumas‘-Klassikers ernsthaft in Erwägung zeihen würde.
Das Geheimnis hat einen Namen: Jean-Loup Foure, der die Kampfchoreografie übernahm. Er ist Mitgiel der Akademier der Fechtkunst Deutschlands und beherrscht Wing Tai, ein Martial-Arts-System, das verschiedene Konzepte und Prinzipien südostasiatischer und europäischer Kampfkünste vereint. Ein Schauspieler ist er auch, im Oscar-nominierten Politthriller „Anonymus“ spielt er den Fechtmeister Monsieur Beaulieu. Und wenn man so einen Mann schon mal vor Ort hat, muss er auch als Schauspieler ran und gab auf der Küchwaldbühne den sinistren Graf Rochefort, der als Spion des Kardinals Richelieu (Christen Schmidt) zusammen mit diesem und Lady de Winter (Ulrike Euen) die ganze Zeit finstre Intrigen gegen König (Christian Ruth) und Königin (Louise Debatin), die Musketiere Athos (Patrick Wudtke), Porthos (Alexander Ganz-Kuhl) und Aramis (Konstantin Weber)spinnt. Dass das nicht geling, liegt vor allem an der „dummen Gör“. So bezeichnet ein zunehmend genervter Kardinal die junge d‘Artagnan. Hirzel spielt diese herrlich unbedarft und muss dabei besonders im ersten Teil physische Höchstleistungen vollbringen. Sie kämpf,rennt, tanz und singt. Gut möglich dass sie am Ende des Sommertheater mitt Julis einige Pfunde verloren haben wird.
Anhaltende Faszination
„Die drei Musketiere „ ist ein magischer Roman, der dutzende Male für Kino und Fernsehen verfilmt wurde. Erst imApril kam eine weitere Version in die Kinos. Es gibt Musicals, Operetten, Hörspielfassungen. Doch worin liegt die Faszination für die Haudegen des französischen Königs Ludwig XIIII.? Dumas hat den Roman 1844 gemeinsam mit dem Co-Autor Auguste Maquet veröffentlicht, da war an Kinoleinwände und Fernsehgeräte noch nicht zu denken. Inspiriert wurde Dumas durch eine Begebenheit im Leben seines geliebten Vaters Thomas Alexandre Dumas, behauptet die Literaturwissenschaft. Er, der Sohn eines verarmten französischen Adligen und einer haitianischen Sklavin, war vom einfachen Soldaten im Königinnen-Dragoner-Regiment zum General in der Armee aufgestiegen. Drei seiner Regimentsfreunde gelangten demnach ebenfalls zu Generalwürden. Überhaupt war es ein Stielmittel Dumas‘, fiktive Ereignisse in einen realen historischen Kontext mit teilweise realen Figuren zu bringen. Das allein erkärt den Zauber der Musketiere, wie er auch auf der Küchwaldbühne zu spüren ist, nicht. Es sind die Tugendem wie Ehre, Loyalität, Gerechtigkeit und ein klares FreundFeind.BiMuster, die den Stoff so charmant und zeitlos machen. Und da ist nicht zu vergessen der solidarische Schlachtruf „Einer für alle, alle für einen!“.
Das Credo der Musketiere hallt auch mehrmals und nachhaltig in den Zuschauerreihen der schönen Chemnitzer Amphitheaters. Gerdas weil man das Stück als Film oder Roman recht gut kennt, ist die Gefahr einer allzu routinierten Vorstellung durchaus gegeben. Aber Regisseurin Silke Johanna Fischer inszenierte einen sehr energiegeladenen Dumas mit viel Action, Musik, Tanz, Humor und coolen Ideen. Wenn Mademoiselle d‘Artagnan sich beispielsweise mitten im Kampf in die Hofdame der Königin, Madame Bonacieux (Eva Kristine Stempel), schockverliebt, läuft mitten im Kampfgeschehen die Welt in Zweitlupe ab.
Unterstützt wurde Fischer nicht nur wirksam von Fourure, sonder von Stefan Morgenstern, der für ein geradezu ausuferndes Bühnen- und Kostümbild sorgte, und Bernd Sikora, der für eine eingängige musikalische Begleitung zuständig war – ganz abgesehen natürlich von der großen Spielfreunde des Ensembles.
Gerade im zweiten Teil überzeugt Ukrike Euen als hinterhältige Lady de Winter, die auf ihre Art neben d‘Artagnan damit zur treibenden Figur des Stückes wird. Zum Publikumsliebling avancierte vor allem Christian Ruth als linkischer Herzog von Buckingham und als König das kleine und große Publikum. Als Tuth im Getümmel unabsichtlich seine Perücke verlor, die plötzlich als Buckingham-Requisit am Rock der de Winter klebte (sollte man vielleicht beibehalten), sorgte dies genauso für zusätzliche Lacher wie Nonsens-Wortspiele al la „Bye, Bye Butterfly, ciao ciao Crimmitschau“.
Maurice Querner Freie Presse