Liebesblind – Shakespeare Vertanzt
Ballettabend
Theater Augsburg
Jahr: 2011
Choreografie: Bridget Breiner und Matjash Mrozewski
Bühne u. Kostüme: Stefan Morgenstern
Foto: Nik Schölzel
Project Description
„Der böse Streich“ hat Bridget Breiner vor fünf Jahren schon eine Kurzchoreografie des „Othello“-Stoffes zur Musik von Pablo de Sarasate genannt und das große Drama Shakespeares auf die Intrige Jagos, auf ein intimes Kammerspiel mit fünf Figuren verkürzt. Das entfaltet nun auch auf der Bühne im Großen Haus des Theaters Augsburg seine beklemmende Wirkung. Der Ausstatter Stefan Morgenstern teilt den Raum durch duftige Vorhänge in Vorder- und Hintergrund; diverse Ebenen des Geschehens können so parallel ablaufen; bewegliche Podeste setzen außerdem Akzente für die Figurenführung.
…Eine beschwingte Fortsetzung findet der Abend durch Matjash Mrozewskis Version des „Sommernachtstraums“ …
Stefan Morgenstern hat hierfür ein faszinierendes Bühnenbild mit stilisierten Baumstämmen, Wurzeln und Blätterkronen geschaffen, das den Tänzern genug Freiraum lässt. In der Musikauswahl und tänzerischen Umsetzung wirkt dieser „Sommernachtstraum“ weniger experimentell, als man es von den bisherigen Ballettproduktionen an diesem Haus kennt, doch ist Wehmut kaum angebracht, denn das ausgelassene Treiben ist mit so viel Witz und Ironie dargeboten, dass es einfach Spaß macht.
Birgit Müller-Bardorff / Augsburger Allgemeine
… Aufs Beste unterstützt wurde Mrozewski bei seinem ersten Handlungsballett von Ausstatter Stefan Morgenstern, der mit seinem Blätterwald und drei multifunktionalen Hochsitzen ein kreatives Waldambiente erfand. Es bot den Tänzern ausreichend Raum, um in gekonnten Grand jeté- Zirkeln ihr magisches Terrain zu behaupten oder auf Spitze in sinnliche-eleganten Pas de Deuxs die jeweiligen Liebespartner zu betören und vom Glück der Zweisamkeit zu überzeugen. …
Renate Baumiller-Guggenberger / a3 Kultur
So süß kann Shakesperae sein: „Liebesblind -Shakespeare vertanzt“ als Ballettabend von Bridget Breiner und Matjash Mrozewski in Augsburg
Inhalt, Tempo und darstellerische Raffinesse: Augsburgs Zweiteiler „Liebesblind – Shakespeare vertanzt“ bietet alles, was ein erfolgreicher Ballettabend braucht. Im Fokus stehen die Grundgefühle menschlicher Existenz, die in ihrer dramatischen Verquickung von Liebe, Rivalität, Hass und Eifersucht tragische wie komische Blüten treiben und Shakespeares Othello oder Sommernachtstraum so zeitlos faszinierend wie ewig neu gestaltbar machen. Unterstützt von Stefan Morgenstern als schlicht-kongenialem Ausstatter haben mit Bridget Breiner (Erste Solistin beim Stuttgarter Ballett) und Matjash Mrozewski zwei Shooting Stars unter den Jungchoreografen die Herausforderung angenommen. Was sie eint, ist die Gabe, den eingeschlagenen Erzählfluß ohne Umschweife mittels verständnisstarker Ausdrucksformen voranzutreiben und dabei handwerklich fulminant mit dem Fundus an (u. a.) neoklassischem Vokabular zu spielen. Die Anforderungen ans Ensemble waren entsprechend hoch.
Anlässlich der zweiten Premiere im Großen Haus am 9. April präsentierten sich die Tänzerinnen und Tänzer in elektrisierender Bestform. Stellvertretend sei allen voran Lateef Williams genannt – ein dunkelhäutiger Tanzathlet von exquisiter Geschmeidigkeit, gepaart mit wachsender Interpretationsprägnanz. In Breiners (sich anfangs an Geschwindigkeit fast überschlagendem) Kammerballett, das zu eindringlicher Musik von Górecki und Sarasate entscheidende Momente von Jagos (Riccardo De Nigris) fataler Intrige mit den jeweiligen Motivationen und Empfindungen der insgesamt fünf Protagonisten zu einem 30-minütigen Seelenquintett ungewohnter Tiefe komprimiert, beeindruckte sein zärtlicher, dann Desdemona (Alisha Coon) unerbittlich mordender Othello.
Mrozewski, der sich für eine spritzige Nacherzählung des Sommernachtstraums (Musik: Mendelssohn, Purcell) entschieden hatte, besetzte Williams als übermütigen Puck. Zwei Gäste und neun Kinder lokaler Ballettschulen verstärkten das elegant von Kelly Jane Tipton und Nathan Griswold angeführte Corps der Elfen. Und De Nigris, Breiners böser Drahtzieher, mimte mit Elvis-Tolle und Rockerallüre den Hausmeister Zettel. Angesicht des Verzichts auf die Handwerker eine – wie überhaupt der gesamte Abend – schlüssige Idee.
Vesna Mlakar, Die Deutsche Bühne 26.4.2011