Nur drei Worte

Altes Schauspielhaus Stuttgart

Jahr: 2022

Regie: Folke Braband

Bühne u. Kostüme: Stefan Morgenstern

Dramaturgie: Annette Weinnmann

Foto: Martin Sigmund, Privatarchiv

Project Description

Wie man Beziehungen ins Aus Steuert

Mit Unzufriedenheit bekommt man jede Leibe klein.
„Nur drei Worte“ von Joanna Murray-Smith im alten Schauspielhaus zeigt, wie es geht.

„… Regisseur Folke Brabant hat im alten Schauspielhaus schon mit Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“ bewiesen, wie die Fassade des schönen Scheins durch ausgesprochene Vorbehalte und Unterstellungen schleichend zum Einsturz gebracht werden kann. In „Nur drei Worte“ inszeniert er die Selbstzerstörung eines Paares als Folge sich doppelt zuspitzender Szenen: Währen die einmal geschlagene Wunde weiter schwärt, wird im deutlicher, dass die Liebe noch eine Chance hätte.
In Stefan Morgensterns wandelbarem Bühnenbild, bei dem eine Plattform mit ausziehbarer Rückwand mal Wohnung, Straße, Park, Theaterfoyer oder Galerie ist, agieren die Darsteller wie getrieben in eigener Sache. Lisa Wildmann ist eine auf Hochtouren laufende Tess, die ihren Aktionsmus nicht mehr im Griff bekommt. Ihr zwanghafter Stepptanz beim Stichwort Regenwald ist das passende Bild. So fügsam Rene‘ Steinke seinen Curtis auch spielt, er zeigt sich tief verletzt. Gut auf einander eingespielt: Julia Bremermann als jede Schwäche lax überspielende Bonnie und Natalie o‘Hara als unterschätze, aber wachsame Annie. Die halten mühsam die Balance, um nicht mit in die Abwehrspirale zu geraten. Dabei läge hier auch so einiges im Argen. …“

Julia Lutzmeyer, Stuttgarter Zeitung 7.2.2022

Wie lauter trotzige kleine Kinder

Brabands Inszenierung von „Nur drei Worte“ überzeugt im Alten Schauspielhaus STUTTGART.

Ausgelassen feiern Tess (Lisa Wildmann) und Curtis (René Steinke) ihr Hochzeitsjubiläum. Zu Gast das befreundete Paar Bonnie ( Julia Bremermann) und Annie (Natalie O‘Hara). Und mitten in den schönsten, unbeschwerten Trubel die drei Worte: „Wir wollen uns trennen.“ „Nur drei Worte“, wie das Stück der australischen Autorin Joanna Murray-Smith dann auch heißt, die aber die Welt der beiden be- freundeten Paare verändern.
Regisseur Folke Braband zeigt im Alten Schauspielhaus von An- fang an, dass er gewillt ist, mit Tempo und gut fokussiert aufs Wesentliche diese spannende Beziehungsgeschichte zu erzählen. Denn was beginnt wie eine dutzendfach variierte Ehegeschichte, erweist sich als eine sehr genau beobachtete, sehr fein gezeichnete, klug gebaute Story über menschliche Beziehungen, über Lebensgefühle unserer Zeit. Da- bei kann man die Frage stellen: Drama oder Komödie? Es spricht auch für dieses Stück, dass die Antwort offenbleibt, man sieht ei- ne sehr ernste Komödie oder ein Drama, dass sich auch einer gewissen Komik bedient. Aber nicht der meist üblichen hingedrechselten „Situationskomik“, die Regie verzichtet zudem auch auf billige Effekte, Slapstick-Einlagen und vertraut zu Recht auf die skurrilen Elemente, die das Geschehen in sich selbst trägt.
Denn das besondere an diesem Stück ist, dass die Trennungsabsicht der erfolgreichen Verlegerin Tess und des Lehrers Curtis eben auch bei dem befreundeten Paar ein Hinterfragen der Beziehung und letztlich auch eine Krise aus- löst. Dabei wird deutlich, hier handelt es sich bei allen vieren letztlich um Menschen, die vor lauter Sattheit und Zufriedenheit nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Glücklich sind sie mit ihren Verhältnissen nicht unbedingt, sie jammern auf höchstem Niveau, stören sich an Belanglosigkeiten wie Tess, die zwar vorgibt, durch- aus noch etwas für ihren Mann zu empfinden, jedoch mehr als Individuum denn als Teil des Paares wahrgenommen werden möchte. Klingt absurd und kompliziert, ist es auch.
Ein kluges, starkes Stück
Ähnlich geht es dem lesbischen Paar Bonnie und Annie, die bei vorgeblichen Rettungsversuchen für die Beziehungen der Freunde und vor allem, wie es manchmal ausschaut für die gemeinsam zu viert geplante Bhutan-Reise, mehr und mehr die vermeintlichen Defizite ihrer bürgerlich braven Beziehung entdecken. Vor allem aber zeigen sich dem Zuschauer Protagonisten, die zwar das nicht (mehr) wollen, was sie haben, die aber auch nicht wirklich wissen, was sie alternativ wollen, etwa im Stile von trotzigen Kindern, die in jedem Falle „etwas Anderes“ wollen, als das, was man ihnen gerade anbietet. Und wenn diese Kräfte in den Menschen entfesselt werden, scheint es so, als ob auch Bildung, Kultur oder beruflicher Erfolg keinen Einhalt mehr gebieten.
Braband stellt denn auch die einzelnen Persönlichkeiten in den Mittelpunkt seiner Inszenierung, seziert sehr genau deren Verhaltensweisen, lässt auch die Entwicklungen sehr schön nachverfolgen, wenn die in den jeweiligen Beziehungen eher die zweite Geige spielenden Curtis und Annie an Profil und Durchsetzungswillen gewinnen. Die Inszenierung nutzt hervorragend die Möglichkeiten, die das kluge Stück bietet, und zeigt so am Beispiel einer an sich alltäglichen Trennungsepisode deren Besonderheiten. Das gelingt auch, weil alle vier Rollen hervorragend besetzt sind, Schauspieler und Schauspielerinnen sehr präzise ihre Charaktere formen und auch ausleben dürfen und sie so ungemein greifbar machen.
Braband setzt auf zügigen, fokussierten Fortgang des Geschehens, reiht in dem wandelbaren, einfach Bühnenbild (Stefan Morgenstern) schnelle Einzelszenen aneinander, so dass die Spannung immer hochgehalten wird. Und wo notwendig, schreckt er auch nicht vor der sichtbaren tätlichen Auseinandersetzung zurück, die dann zur anfänglichen Ausgelassenheit einen wunderbaren Kontrapunkt setzt, wenn die ganzen Auseinandersetzungen um Gefühle in einen profanen Streit um Gegenstände mündet und wir dann wieder beim ganz normalen Rosenkrieg landen. Ein Abend, der den Theaterbesuch sehr lohnt, ein kluges, starkes Stück, hervorragend inszeniert und mit ausgezeichneten Darstellern besetzt.

Armin Bauer, LKZ 7.2.2022

Zwei Paare, vier Trennungen

Das Alte Schauspielhaus nimmt in „Nur drei Worte“ eine Gruppendynamik unter die Lupe.
Stuttgart. „Nur drei Worte“ von Joanna Murray-Smith schildert anschaulich, wie eine Trennung zwischen zweien die Balance der ganzen Gruppe ins Wanken bringt. Nun ist die bissige Gesellschaftskomödie im Alten Schauspielhaus zu sehen, mit hochkarätigem Personal.
Die gleiche Autorität wie in der Fernsehserie „Professor T.“ bringt Julia Bremermann auch hier als Freundin des Trennungspaares auf die Bühne. Nach ersten empathischen Bekundungen und interessierten Nachfragen, warum Curtis (René Steinke) und Tess (Lisa Wildmann) sich – nach 20 glücklichen Ehejahren – trennen wollen, wird sie impertinent: „Wie könnt ihr uns das antun?!“ Mit „uns“ sind sie und ihre Partnerin gemeint. Und es folgen noch viele solcher zerfleischender Sätze.
Die ach so engen Bindungen in dem Vierergespann aus hetero- und homosexuellem Ehepaar beginnen sich aufzulösen. Im Laufe der Trennung wird das Ungleichgewicht in den Zweierbeziehungen schmerzlich spürbar: Tess, die erfolgreiche Verlegerin und der bescheidene Lehrer Curtis. Bonnie, die vielbeachtete Galeristin, und Annie, die ewig-kleine Masseurin. Wehe, wenn einer an diesen Konstellationen rüttelt. Das könnte den gemachten Damen ganz schön auf die hochhackigen Füße fallen.
Und das tut es auch, komisch-brisant, wenn etwa die zu viert geplante Bhutan-Reise storniert werden soll. Wenn ein geerbtes Gemälde zum Zankapfel der bis dato großzügigen Vorzeigemenschen wird. Wenn Curtis sich mit einer 20-Jährigen tröstet und das auch noch genießt.
Stefan Morgenstern hat, unter der Leitung von Regisseur Folke Braband, ein Refugium für den Furor der Vier gestaltet: ein Bühnenpodest dient als Ring für den folgenden Boxkampf. Wie Schattenrissfiguren bewegen sich die zwei Paare vor einer kühl gespachtelten Wand. So lässt sich das Unvermeidliche verfolgen und über die Fehler der Vier vor Entsetzen ganz vorzüglich lachen.

Patricia Fleischmann, Bietigheimer Zeitung 8.2.2022