die unendliche Geschichte

Theater Chemnitz Schauspiel

Jahr: 2019

Regie: Silke Johanna Fischer

Bühne u. Kostüme: Stefan Morgenstern

Musik: Steffan Claußner

Videoprojektionen: Michael Titze

Dramaturgie: Friederike Spindler

Puppenentwurf: Stefan Morgenstern

Foto: Dieter Wuschanski

Project Description

Das Theater Chemnitz hat Michael Endes ‚Unendliche Geschichte‘ auf die Bühne gebracht. Dafür, dass das rundum bestens funktioniert, gibt es gleich mehrere Gründe.


(…) für die Kinder der 80er-Jahre (…) zweifellos Kult: Es gab seinerzeit fast niemanden, der Bastian, Atréju und Fuchur nicht kannte.


So ist es doppelt clever, wie das Theater Chemnitz den Stoff aufgreift: Einmal als ‚Weihnachtsmärchen‘, denn genau jetzt ist die Zeit für opulent ausgestattete Abenteuer.

Zum anderen sind die Kinder von damals die Eltern von heute. Und denen präsentiert Regisseurin Silke Johanna Fischer ihre gelungene Mischung aus Buch- und Filmelementen: So findet der kleine Bastian Balthasar Bux das magische Buch der ‚Unendlichen Geschichte‘ gleich neben den ‚Tributen von Panem‘ und dem ‚Herrn der Ringe‘. Mit dieser Fantasy-Verortung, quasi in bester Gesellschaft irgendwo zwischen Pop- und Weltliteratur, kann die Inszenierung nur funktionieren.


Zum Glück scheut das Chemnitzer Schauspiel in Zeiten sparsamer Minimal-Inszenierungen weder Kosten noch Mühen: Taucht der anfangs noch herrlich trottelige Bastian (Alexander Ganz) in die Welt von Fantásien ein, setzt es ordentlich Nebel, Pyrotechnik und Kunstschnee. Und schon gar nicht darf es an fantasievollen Kostümen und Deko mangeln: Der Felsenbeißer knabbert an Steinkeks aus grauem Schaumstoff, der gutmütige Glücksdrache Fuchur schwebt wie ein chinesisches Gotteswesen über die Bühne. Endes atmosphärische Figuren rühren an tiefste Emotionen – und die wunderbaren Puppen, entworfen von Stefan Morgenstern, gespielt von Mona Krueger und Matthias Redekop, docken genau da an: Herzliches Lachen macht sich breit, wenn die uralte Schildkröte Morla ächzt, rülpst und im Schneckentempo aus ihrem Panzer kriecht. Und gleich darauf überzieht Gänsehaut den Saal, denn ihre Stimme donnert geisterhaft verzerrt aus den Boxen.
Atréju (Konstantin Weber) und sein Gefährte Bastian hingegen wirbeln so dynamisch über die Bühne, als gäbe es kein Morgen: Wenn das ‚Nichts‘ die kindliche Kaiserin bedroht (bezaubernd: Lauretta van de Merwe), darf zur Premiere (…) im Eifer des Gefechts auch mal die Perücke vom Kopf fliegen oder die Dame Aiuóla (Susanne Stein) mit ihrem begrünten Fahrrad die Kulisse rammen. Umso herziger, dass derlei Pannen ganz im Duktus der Figuren charmant überspielt werden – das Publikum dankt es mit viel Applaus. (…) die Inszenierung (…) bringt (…) den Tiefgang von Bastians Heldwerdung in gerade mal zwei Stunden locker unter. Dabei ist noch Platz für allerhand Scherze, nicht nur für die Kleinsten: Auf die Frage, wann er denn genau losreisen soll, bekommt Atréju das Günter-Schabowski-Zitat vom Abend des Mauerfalls ‚Jetzt, sofort, unverzüglich‘ zur Antwort. (…) Fantasy-Spaß für die ganze Familie.
 

die „Freie Presse“ schreibt am 25.11.2019 Sebastian Steger

PREMIERE EINES BUCHKLASSIKERS: CHEMNITZ HOLT „DIE UNENDLICHE GESCHICHTE“ AUF DIE BÜHNE
MICHAEL ENDES KINDERBUCH FEIERT PREMIERE IM SCHAUSPIELHAU

Der schüchterne Außenseiter Bastian stolpert Hals über Kopf in einen Buchladen. Dort entdeckt er das Buch „Die unendliche Geschichte“, vertieft sich darin und wird schließlich Teil der Geschichte. Der Held Atréju reist durch Phantásien, um ein Heilmittel für die erkrankte Kindliche Kaiserin zu finden. Wird ihr nicht geholfen, ist das ganze Land verloren. Dann wird Bastian zum Retter in der Not, doch schließlich braucht auch er Hilfe.

„Es lebe die Fantasie!“ Der Abschlusssatz der Chemnitzer Inszenierung macht der Geschichte alle Ehre. Mit liebevoll gestalteten Kostümen (von Stefan Morgenstern, auch Kulisse) werden die Fantasiewesen zum Leben erweckt, allen voran der Glücksdrache Fuchur, der mit Hilfe von Mona Krueger und Matthias Redekop vom Figurentheater lebendig wird und dank Videoeinspielung sogar fliegen kann.

Konstantin Weber („Der kleine Lord Fauntleroy“) stürzt sich mit dem glänzend aufgelegten Ensemble (Alexander Ganz, Lauretta van de Merwe, Wolfgang Adam, Susanne Stein, Philipp von Schön-Angerer sowie Studenten und Statisterie) als grüner Held Atréju heldenhaft und energiegeladen ins Abenteuer und begeistert das Publikum ebenso wie der Rest der Crew.

Bühnenversion muss sich nicht hinter dem Film verstecken

Regisseurin Silke Johanna Fischer („Die kleine Hexe“) führt in der zweistündigen Inszenierung behutsam durch die Fantasiewelt, ohne das es langweilig wird, denn hinter jedem Bühnenfelsen wartet ein neues skurriles Wesen auf die Helden.

„Die unendliche Geschichte“ fesselt große wie kleine Besucher in ihren Sitzen. Minutenlang wurde am Ende der Premiere applaudiert, vereinzelt gab es auch stehende Ovationen. Die Bühnenversion muss sich nicht hinter dem Film von 1984 verstecken. Die Themen wie Freundschaft und Hilfsbereitschaft sind heute noch so aktuell wie vor 40 Jahren, als das Buch erschien.

 

Die „Morgenpost Chemnitz“ schreibt am 25.11.2019 Victoria Winkel

Verflixt, die Sache mit dem Wünschen und Wollen

Premiere im Rückblick: In einer aufwändigen Produktion präsentiert das Schauspiel Chemnitz Groß und Klein Michael Endes „Unendliche Geschichte“ —

Mehr als 30 Mal spielen die Schauspielerinnen und Schauspieler des Theaters Chemnitz in den nächsten Tagen und Wochen Silke Johanna Fischers Fassung von Michael Endes Roman „Die unendliche Geschichte“. Zu ganz verschiedenen Zeiten, vormittags, mittags und abends, manchmal zweimal am Tag. Entsprechend aufwändig Bühnenbild und Kostüme für das diesjährige Märchen in der Weihnachtszeit, das möglichst vielen Zuschauern Freude machen soll. Macht es, wenn man die Premiere am Samstag als Maßstab nimmt. Einhellig dankbarer Jubel von Groß und Klein im ausverkauften Schauspielhaus für ein Märchen voll überbordender Fantasie.
Kein „warmes“ Weihnachtsmärchen also diesmal, keine Herz-, Schmerz-, Glückstränen-Geschichte, sondern ein fantastisches Feuerwerk mit so viel tollen optischen Eindrücken, dass sich nicht nur die vielen Kinder und Enkel fragten „Wie machen die das nur?“, sondern auch die Väter und Großmütter.


Stefan Morgenstern (Bühne, Kostüme und Puppenentwurf) hat das Fantásialand auf der Bühne so traumhaft ausgestattet, dass sich die Zuschauer selbst wie im Märchenland daheim fühlten. Da wanken Berge, zucken Blitze,  leuchten plötzlich Augen auf, es knallt und zischt und funk(el)t, ein gigantische Panzerriese hallt dröhnend dräuende Weisheiten, der gerettete Glücksdrache Fuchur erweist sich als dankbarer Freund und bringt im Video (Petersens Film, den Michael Ende ablehnte, lässt grüßen) über den Wolken den kleinen Bastian Balthasar Bux heim, Fabelwesen tauchen auf, und kluge Tiere wie der Löwe Graógramán oder Argax, der Affe.  


Große Klasse, wie die Puppenspieler Mona Krueger und Matthias Redekop dem Affen Kletterleben einhauchen und Fuchur zum Glücksdrachen tänzeln. Überhaupt: die Zusammenarbeit mit dem Figurentheater ist höchst gelungen – in diesem Zusammenhang ein ganz besonders dickes Kompliment an die Kostüm- und Puppenbauer Carsten Bürger, Yvonne Beier und Jördis Meister. Sie greifen in alle Trick- und Künstlerkisten für Staunen machende Optik, Steffan Claußner sorgt mit bisweilen überirdischen Klängen für kribbelnd fantastische Atmosphäre.


Silke Johanna Fischer gelingt mit ihrer Bühnenfassung das Kunststück, dass die ganz Kleinen ganz große Augen kriegen vor dem, was sich da im Fantásialand tut,  auch wenn sie noch nicht kapieren, was Ende den Größeren ins Stammbuch schreibt: Es ist eine verflixte Sache mit dem Wünschen und Wollen. Wer nur alles wünscht und kriegt, wird nicht glücklich. Nur wer weiß, was er wirklich will, findet zu sich selbst – und findet, so muss es auf dem Theater sein, die Liebe eines anderen Menschen wie Bastian Balthasar Bux, der ungeliebte Loser, am Ende seinen Vater in die Arme schließen kann.


Es zeichnet seit Jahren das Ensemble des Chemnitzer Schauspiels aus, dass es gerade Stücke für Kinder und Familien mit besonderer Liebe spielt und nicht einfach nur den Saal (oder die Traversen im Küchwald – Silke Johanna Fischer hat auch „die kleine Hexe“ im Sommer dort inszeniert) füllen will. Sonst mimen sie alle großen Rollen der Weltliteratur – hier sind sie sich für nichts zu schade, ihren großen und kleinen Bewunderern Freude zu machen. 


So spielt Philipp von Schön-Angerer nicht nur den Vater, sondern schlüpft gleich auch in die Rollen des Felsenbeißers Pjörnrachzak (an dessen Namen man sich eh die Zunge abbeißt) oder löwt bräsig als Graógramán. Wolfgang Adam und Susanne Stein sind hinter Masken die herrlichen Altnörgler Engywuck und Urgl am Felsen-A… der Welt, Adam gibt auch den wie aus einem Spitzweg-Bild herausgetretenen Antiquar Karl Konrad Koreander, und Susanne Stein die Blumendame Aióla, die – selbst mit viel Spaß an der Freud‘ – es „aber diesmal“ textbuchuntreu schafft, radelnd nicht wieder fast über die Kulisse zu stürzen.
Selbst Bastian Balthasar Bux (Alexander Ganz) darf sich nicht nur mit seiner Hauptrolle begnügen – das darf friedstiftend helfend nur der liebe Winnetou-NschoTschi-Verschnitt Atréju (Konstantin Weber). Auch Lauretta van de Merwe ist nicht nur die namenlose kindliche Kaiserin, um deren Fantásiawelt-Rettung die ganze Geschichte dreht, sondern – neben drei weiteren Rollen – auch das quirlige LED-flackernde Irrlicht Blubb.


Großer Aufwand – in den Garderoben beim ständigen Umziehen, vor und hinter den Kulissen, im glänzend eingesetzten Licht (Matthias Klemm) und den charakteristischen Tier-Tönen wie aus einer anderen Welt (Ton: Sebastian Mansch). Und erst die herrlichen Bühnenkonstruktionen, die auftauchen und verschwinden, als gäbe es unendlichen Platz auf, neben, hinter und über der Bühne (von wegen…) – Meisterleistung der Werkstätten. (Wie einfach war da die Arbeit etwa an den „Zwölf Geschworenen“…)


Ein großer Abend des gesamten Schauspielhauses, um vielen hundert Chemnitzern in der Weihnachtszeit Freude zu machen. Habt Ihr geschafft. Danke!. Zurecht die Anerkennung noch am Samstagabend auf Facebook von ganz oben.  Ralph Burghart, nicht nur Kulturbürgermeister, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender der Theater Chemnitz, postete begeistert: „Eine tolle Premiere! Für Groß und Klein!“

Das sagt der Förderverein der Theater Chemnitz